Montag, 9. Februar 2015

Niemand versteht die Rolle von Schulden in einer Volkswirtschaft

Viele Ökonomen und Janet Yellen betrachten die schwierige Weltwirtschaftslage seit 2008 grösstenteils als eine Geschichte von Schuldenabbau (deleveraging), einen gleichzeitigen Versuch der Schuldner fast überall auf der Welt, Verbindlichkeiten zu verringern.

Warum ist Schuldenabbau ein Problem? Weil meine Ausgaben Ihre Einnahmen sind und Ihre Ausgaben meine Einnahmen, wenn alle zur gleichen Zet versuchen, Schulden abzubauen, geht das Einkommen um die Welt herum zurück, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Nobody understands debt“) am Montag in NYTimes.

Es geht im Grunde genommen um den Unterschied zwischen dem einzelwirtschaftlichen und dem gesamtwirtschaftlichen Denken.

In einem neulich vorgelegten Bericht („Debt and (not much) deleveraging“) betont McKinsey Global Institute, dass es keinem Land gelungen ist, die Schuldenquote (seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008) zu reduzieren. Obwohl im Privatsektor ein erheblicher Schuldenabbau stattgefunden hat, ist die Verschuldung der öffentlichen Hand nicht zurückgegangen.

Bedeutet das, dass wir uns nicht genug anstrengen, Schulden abzubauen, und deshalb mehr Austerität brauchen? Der IWF deutet darauf hin, dass die realen Staatsausgaben in vielen fortentwickelten Volkswirtschaften geschrumpft ist, sogar in den Ländern wie Deutschland und den USA, die sich eigentlich zu historisch niedrigen Zinsen Geld besorgen können.

Die Austeritätspolitik hat alles verschlimmert, argumentiert Krugman weiter. Es war vorhersehbar, dass die Forderung zum Gürter-enger-Schnallen auf einem Missverständnis der Rolle von Schulden in einer Wirtschaft basiert.



Europe steckt in Depression, Graph: Prof. Paul Krugman: The Great Recession, Febr 2015


Denn eine Verbindlichkeit ist Geld, das wir uns selbst verschulden. Die Wirtschaft wird dadurch nicht schlechter. Und die Rückzahlung macht uns auch nicht reicher. Es stimmt, so Krugman, dass Schulden eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems darstellen. Aber die Situation verbessert sich nicht, wenn die Bemühungen um Schuldenabbau die Wirtschaft in Deflation und Depression treiben.

Womit wir beim Zeitgeschehen ankommen: Es gibt eine direkte Verlinkung zwischen dem Scheitern des Schuldenabbaus und der entstehenden politischen Krise in Europa.


Europe steckt in Depression im historischen Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman: The Great Recession, Febr 2015

Europäische Staats- und Regierungschefs glaubten fest daran, dass die Wirtschaftskrise aufgrund einer verschwenderischen Haushaltspolitik entstand. Das heisst, dass die Länder über ihre Verhältnisse lebten. Die Rückkehr zur Sparsamkeit, die Angela Merkel forderte, gestützt auf ihre berühmte Konzeption der schwäbischen Hausfrau, war laut Krugman ein Rezept für die slow-motion Katastrophe.

Europäische Schuldner mussten tatsächlich die Gürtel enger schnallen. Die auferlegte Austerität war aber in der Tat unglaublich wild. Deutschland und andere Kernländer, die mehr Ausgaben benötigt hätten, um die Gürtel-enger-schnallen-Politik an der Peripherie auszugleichen, hielt sich mit Ausgaben zurück. 

Im Ergebnis entstand ein Umfeld, wo es unmöglich war, Schuldenquote zu senken. Das reale Wachstum ging im Schneckentempo voran. Die Inflation fiel auf fast nichts und eine gänzliche Deflation hat sich in den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern etabliert.

Die Wähler hielten das Leiden mit dieser katastrophalen Politik eine bemerkenswert lange Zeit aus, während sie an die Versprechen der Elite glaubten, dass ihre Aufopferung bald belohnt würde. Doch als der Schmerz anhielt ohne sichtbare Fortschritte, war die Radikalisierung unvermeidbar. Wer vom Sieg der Linken in Griechenland überrascht ist, hat auf diese Entwicklung nicht geachtet, hält Krugman als Fazit fest.

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