Samstag, 21. Februar 2015

Angebot, Nachfrage und Produktion an der Nullzins-Grenze

Ohne die Austeritätspolitik (fiscal austerity) wäre die Produktionslücke (output gap) heute in den USA, Grossbritannien und der Eurozone nicht negativ, sondern positiv, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Eine wichtige Frage ist aber, ob die Schätzungen des Produktionspotenzials wirklich unabhängig vom gegenwärtigen Pfad der tatsächlichen Produktion (output) sind?

In einer stilisierten Betrachtung der Makroökonomie sind die beiden voneinander unabhängig. Produktionspotenzial berechnet sich daraus, wie viel wir produzieren können, wenn Arbeit und Kapital voll im Einsatz sind, und zwar durch die Verwendung der Technologie, die wiederum von den gegenwärtigen und den vergangenen Niveaus der Produktion unabhängig ist, unterstreicht der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die stilisierte Ansicht von der Makroökonomie mag aber aus einer Vielzahl von Gründen falsch sein, dass z.B. die Arbeitnehmer, die lange arbeitslos sind, als unqualifiziert betrachtet werden, und dass es für Unternehmen, die in einer Rezession gezwungen sehen, Investitionen zurückzustellen, eine Menge Zeit in Anspruch nehmen kann, produktive Kapazitäten wiederaufzubauen.

In normalen Zeiten von konjunkturellen Auf- und Abschwüngen dürfte es auf diese Prozesse nicht besonders viel ankommen. Nach einer schweren Rezession sind sie jedoch von grosser Bedeutung. Internationale Organisationen wie die OECD und der IWF haben seit der Great Recession ihre Schätzungen von Produktionspotenzial nachunten korrigiert.



US-Wirtschaft (BIP) mit und ohne Austerität, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis in: voxeu


Je grösser die Rezession ist, desto grösser ist der Rückgang des Produktionspotenzials. Es ist demnach wahrscheinlich, dass Schätzungen des Produktionspotenzials stark von der Höhe der tatsächlichen Produktion beeinflusst werden, hebt Wren-Lewis hervor.

Wenn die Wirtschaft in der Lage ist, mehr herzustellen, warum ist die Nachfrage so schwach, während die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound)?

Unabhängig davon, dass multiple Gleichgewichte möglich sind, ist es wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass der private Verbrauch die grösste Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist. Und der Konsum ist von dem erwarteten Einkommen abhängig, welches wiederum von der tatsächlichen Produktion abhängen kann.

Daraus folgt, dass die Makroökonomie laut Wren-Lewis dazu neigt, sich selbst erfüllende hier) zuzulassen.

Die (konventionelle) Geldpolitik verliert aber an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) an Zugkraft, v.a. in einer Welt mit inflation targeting, d.h. wenn Zentralbanken eine bestimmte Zielinflation (i.d.R. um 2%) anstreben. Fallende Inflation wird aber in einer Depression zu einer Belastung. Arbeitnehmer werden längerfristig arbeitslos. Wenn Löhne gekürzt werden, bleibt auch die mangelhafte Nachfrage länger bestehen; der Markt korrigiert sich also nicht selbst.

Wenn die Notenbanken und Regierungen ihre Prognosen in Bezug auf das langfristige Produktionsniveau stetig überarbeiten, ist es kein Wunder, dass auch die Verbraucher bei stagnierenden und/oder fallenden Reallöhnen eigene Schätzungen in Bezug auf ihr langfristiges Einkommen revidieren und damit das Konsumverhalten (nach unten) anpassen. Auf diese Weise scheint sich die Nachfrage, wie Wren-Lewis darlegt, mit einer pessimistischen Ansicht von langfristigem Angebot zu decken.

Es hat also keinen Sinn, sich zurückzulehnen und zu denken, dass die Zentralbanken die Zielinflation nur vorübergehend unterlaufen und daher nichts unternommen werden sollte. Unter diesen Umständen ist es sogar fatal, weiterhin am unvorteilhaften Kurs der Austerität festzuhalten. Probleme auf der Nachfrage-Seite lassen sich mit Massnahmen (Struktur-Reformen) auf der Angebot-Seite nicht bekämpfen. 

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